Deutsche „Premium“-Fahrzeuge? Das war einmal.

Bei meinen Streifzügen durch das Internet finde ich ab und an auch Beiträge, die einen anderen Blickwinkel auf mir unterbewusst schon länger im Magen liegende Themen bieten. So wie dieser sehr empfehlenswerte – leider auf englisch verfasste – Beitrag auf „auto-didakt.com“.

Der Verfasser Christopher Butt greift das Thema der verlorengegangenen Exzellenz der deutschen Fahrzeugindustrie weniger von der technischen Seite her auf als vielmehr von der designerischen Entwicklung der letzten dreißig Jahre. Interessant vor allem der direkte Bildvergleich zwischen Urahn und aktuellem Modell …

Ja, stimmt schon – wer kann heute in der Seitenansicht einen Golf plus von einem BMW active tourer der 2er-Reihe unterscheiden, wenn die Markenlogos fehlen? Wer kann im Rückspiegel unterscheiden, ob sich da ein Audi A6,A5, A4, A3 oder A2 („Audi Polo“) hinter einem befindet?

Natürlich machen die Vorschriften zum Kollisionsverhalten mittlerweile engere Gestaltungsvorgaben, was dazu führt, dass jeder Hersteller große Plastiknasen verwendet (die übrigens in der Reparatur auch kleiner Schäden unverschämt teuer werden). Aber – muss das wirklich sein? Ist das „form-follows-function“ im eigentlichen Sinne? Oder dient das nur der Minimierung der Herstell- sowie der Maximierung der Werkstattkosten?

Dass die Vorzugsstellung der deutschen „Premium“-Hersteller mittlerweile weitgehend verlorengegangen ist, habe ich auch in Asien beobachten können. Das haben die Hersteller nur eben selbst noch nicht bemerkt.

 

Übrigens: der Begriff „Premium“ ist mir erstmalig während meines Studiums in den 1980ern begegnet – damals kam eine lokale Brauerei mit ihrem „Premium-Pils“ auf den Markt, welches so bescheiden schmeckte, dass es keiner kaufen mochte …

Spötter behaupten ja, dass eine „Premiummarke“ dem Kunden überdurchschnittlich viel Geld für ein mittelmäßiges Erzeugnis abknöpft. Da ist also „premium“ im eigentlichen Wortsinne von „exzellent, ausgezeichnet, brillant“ noch am ehesten auf die Marketingleistung zu beziehen.

Eine Antwort auf „Deutsche „Premium“-Fahrzeuge? Das war einmal.“

  1. Erst einmal spricht mir der Betrag aus der Seele. Dann komm ich zum Nachdenken: Warum hat sich das Aussehen so verändert? Warum hält sich ein überzeugendes Design nicht mehr lang?

    Ich fürchte, das geht bei der heutigen Taktzahl an Facelifts und Upgrades gar nicht mehr.

    Früher hat ein Autobauer seine wichtigsten Modelle über lange Zeit äußerlich kaum verändert. Das war auch kaum nötig. Denn man kaufte ein Auto, wenn man eins brauchte. Die Konzerne waren bei weitem nicht so groß. Der Markt noch nicht übersättigt, der Absatz reichte aus.

    Heute kann auch ein Laie auf der Straße sehen, wer sich ein neues Auto gekauft hat und wer mit einem ‚älteren‘ Modell vorlieb nimmt – unabhängig vom Hersteller. Das definiert einen Teil des sozialen Status.

    Die deutschen Autobauer haben das Problem übersättigter Märkte früh erkannt und sich in den Premium-Bereich geflüchtet: exzellente Verarbeitung, große Kraftpakete, riesige Komfort-Ansprüche und dementsprechend ein als gerechtfertigt angesehener hoher Preis mit großer Gewinnmarge.

    VW ist laut focus weltweit größter Autobauer und hat trotz Rückruf, Verzögerungen, Prozesskosten und Image-Schaden 2018 über 12 Milliarden Euro Gewinn gemacht – wenn ich mich recht erinnere, nach Steuern. Wie Daimler und BMW dastehen, weiß ich nicht genau, schätzungsweise aber relativ gut.

    Alle zusammen haben in den letzten Jahrzehnten brutale Verdrängungs- und Übernahme-Schlachten überstanden und sind gestärkt daraus hervor gegangen. Sie haben also markttechnisch und wohl auch ingenieurstechnisch einiges richtig gemacht. Was allerdings auch Markt–und Umweltprobleme aufwirft.

    Unsere Form von Markt zwingt auch die großen Firmen, ständig zu wachsen. Immer mehr output, immer mehr Gewinn. Aber zugleich greift dann ein Prinzip, das alle Lebensbereiche betrifft, der Fluch des eigenen Erfolges.

    Jedes Lebewesen, Produkt oder Verhalten, das in zu großen Mengen existiert, wird irgendwann zum Problem und löst eine Krise aus. Eine Versorgungs-Krise, weil die Ressourcen, die für die Herstellung oder den Unterhalt gebraucht werden, fehlen. Oder eine Markt– oder System-Krise, weil Markt, Gesellschaft und /oder Öko-System diese Menge nicht mehr verkraften kann.

    Autos haben – stehend wie fahrend – einen erheblichen Platzbedarf. Sie haben für Herstellung, Wartung und Betrieb einen hohen Ressourcen-Bedarf und sie produzieren Abgase, die in großen Mengen belastend bis schädlich sind. Daher gibt es auf den Märkten, wo der Leidensdruck schon sehr groß ist und die Gesellschaft nicht noch mehr Platz zur Verfügung stellen, nicht noch mehr Abgase verkraften kann, eine massive Transformation. Man sucht nach neuen Lösungen für zumindest einen Teil der Probleme.

    Diese Transformation kommt nun auch bei uns an. Manche sind begeistert. Andere haben noch gar nicht realisiert, dass wir ein Struktur-Problem haben. Und sie fürchten, bei einer Transformation die Verlierer zu sein. Also wird erbittert gestritten.

    Das Problem ist, dass Transformationen immer ihren Preis haben. Es gibt keinen gesicherten Fahrplan, sondern viele konkurrierende Entwürfe. Aber der Preis für eine verpasste oder gescheiterte Transformation ist normalerweise ein crash.

    Die deutschen Autobauer haben auch das erkannt. Sie diversifizieren. Und sie investieren vermehrt in Carsharing, Ridesharing und Leasing. Das heißt ggf mehr Gewinn per produzierter Einheit und damit – vielleicht – weniger Druck, immer mehr Einheiten zu produzieren und abzusetzen. Ich hätte mir in manchen Dingen eine andere Entwicklung gewünscht, aber dumm sind diese Leute offenbar nicht.

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