Schon im Jahr 2017 hatte ich einmal einen Energiekostenvergleich aufgestellt und meine Meinung dazu deutlich druntergeschrieben („Also, wer bei diesen Zahlen daran glaubt, dass Privatfahrzeuge elektrisch sinnvoll zu betreiben sind, … hofft wohl auf Preisverdreifachungen bei fossilen Kraftstoffen.“)
Mittlerweile haben sich die Zeiten schon ein wenig geändert, es wird also Zeit für ein Update (Änderungen seither … Benzin und Diesel plus 25%, Strom plus 5%, Erdgas plus 20%, neu: Wasserstoff):
Medium | Preis (€/m3) | umgerechneter Preis (€/kWh) |
Erdgas | ca. 0,075 | |
Strom (Privatkunden) | ca. 0,33 | |
Strom (Industrie) | ca. 0,18 | |
Superbenzin | 1.750 | ca. 0,21 |
Dieselkraftstoff | 1.480 | ca. 0,15 |
Wasserstoff (Tankstelle) | fester Preis: € 9,50 / kg | ca. 0,29 |
Wasserstoff (grün) | bis 0,225 | |
Wasserstoff (grau) | 0,048 bis 0,118 | |
Wasserstoff (blau) | 0,052 bis 0,124 |
(Preise für Wasserstoff nach https://asue.de/aktuelles_presse/kosten_von_wasserstoff_hydex)
Tja – die Randbedingungen haben sich also verändert, und daher wird es Zeit für eine neue persönliche Bewertung.
Gerade beim Einsatzfeld „PKW“ ist die politische Richtung klar: hier geht leider alles in Richtung „BEV“, und alle anderen Optionen werden glattweg abgebügelt. Die europäische Gesetzgebung wird hier von Branchengrößen wie VW und deren Lobby massiv bearbeitet; echte Innovation findet daher derzeit wohl nur außerhalb Europas statt.
Leider hat sich bei den westlichen PKW-Herstellern bisher noch eine weitere Erkenntnis nicht durchsetzen können, nämlich die Idee der notwendigen Standardisierung.
Es existieren immer noch verschiedene Stecker- und Ladetechniksysteme, die miteinander Inkompatibilitäten aufweisen. Ein einheitliches Abrechnungssystem liegt in weiter Ferne. Am schlimmsten jedoch: jeder Fahrzeughersteller sieht „seine Batterietechnologie“ als Alleinstellungsmerkmal, das mit Zähnen und Klauen verteidigt wird.
Exkurs: wie wurde der IBM-PC zum Standard?
In den 1970ern kamen verschiedene „Personal Computer“ auf den Markt, die eines einte: sie waren jeweils zu allen anderen Gerätefamilien absolut inkompatibel, und das mit voller Absicht. So wollte z.B. Commodore verhindern, dass Kunden auch einen Sinclair ZX-80 oder einen Apple verwenden können.
Der Nachteil? Jede Software, jedes Peripheriegerät musste auf die jeweilige Gerätefamilie angepasst werden, was natürlich hohe Aufwände und niedrige Stückzahlen zur Folge hatte … das Preisniveau war hoch, und Kunden waren zurecht erbost, wenn ein Hersteller vom Markt verschwand oder seine älteren Geräte in Kundenhand auf einmal nicht mehr unterstützt wurden.
Das änderte sich schlagartig, als IBM seinen „Personal Computer XT“ auf den Markt brachte und Anbieter (insbesondere aus Fernost) diesen rasch, billig und verbessert nachbauen konnten.
Das war zwar vielleicht nicht unmittelbar im Sinne der IBM-Vertriebsmannschaft, verhalf diesem System aber rasch zum weltweiten Durchbruch – die Kunden waren begeistert, es erschienen Unmengen von preiswerter und hochwertiger Software sowie eine unüberschaubare Welt von (mehr oder weniger) zueinander passenden Peripheriegeräten.
Der „IBM-Standard“ war geboren und hat die Digitalisierung in den 80er / 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erst so richtig möglich gemacht.
Was bedeutet das für die Fahrzeugindustrie?
Die Hersteller befinden sich in einer offensichtlichen Parallele zur Computertechnologie um 1980: jeder hält sein Angebot für „das einzig Wahre“, und wir werden in wenigen Jahren sehen, wer dieses Rennen alles verloren haben wird.
Gewinner wird es aber noch keine geben; die gibt es nämlich erst dann, wenn sich ein Standard herausgebildet haben wird. Dieser Standard wird nach meiner Überzeugung dazu führen, dass gerade die (derzeit sehr teure) Energiespeicherung nicht mehr herstellerspezifisch stattfindet, sondern man wird irgendwann daran gehen, „genormte“ Batteriepakete austauschbar anzubieten.
Die Vorteile liegen auf der Hand: der „Tankvorgang“ wird bei entsprechend geeigneter Ausgestaltung sehr schnell stattfinden können (z.B. Tausch des leeren Akkus gegen einen vollgeladenen auf Pfandbasis), und allfällige Weiterentwicklungen der Speichertechnik können damit auch älteren Fahrzeugen zugänglich gemacht werden.
Interessanterweise ist die Zweiradwelt hier schon viel weiter als der PKW: die Branchengrößen Piaggio, KTM, Honda und Yamaha haben ein Konsortium zur gemeinsamen Entwicklung und Einführung tauschbarer Speicherbatterien gegründet.
Bei den Nutzfahrzeugen ist die Situation unübersichtlicher; hier fahren die bekannten Hersteller oft mehrgleisig – einfach, weil noch nicht klar ist, in welcher Anwendung sich welche Technologie (auch aufgrund der politischen Vorgaben) durchgesetzt haben wird. Spannend zu beobachten sind hier Entwicklungen, Wasserstoff z.B. mittels eines Trägeröles besser handhabbar zu machen (LOHC-Technologie).
Zu befürchten steht allerdings, dass die europäischen Nutzfahrzeughersteller schon in wenigen Jahren die dann für bestimmte Anwendungen sicher immer noch benötigten Verbrennungsmotoren (z.B. Dieselaggregate für Militär, Feuerwehr und Katatstrophenschutz) in Ermangelung eigener Entwicklungen von Zulieferen aus Fernost beziehen werden … womit man sich in ganz neue Abhängigkeiten begeben haben wird.
tl’dr: während in der Nutzfahrzeugindustrie das Rennen um die geeignete Antriebstechnologie noch ziemlich offen erscheint, sind führende Zweiradhersteller schon weiter.
Gerade die PKW-Industrie jedoch verspielt aufgrund mangelnder Standardisierung ihre Zukunft. Aber vielleicht wird ja künftig weniger der Verkauf von Fahrzeugen wichtig sein, sondern vielmehr das Angebot von „Mobilität als Dienstleistung“.
3 Antworten auf “Antriebe der Zukunft … ein paar Gedanken dazu”