Das „Taxi-Projekt“…

Und ich habe es wieder getan.

In den Kleinanzeigen ein Auto gesehen, hingefahren, gekauft, gezweifelt, und doch angefangen … was ist es denn diesesmal?

Surprise: es ist ein Benz.

  • Mercedes-Benz 400E (124.034)
  • Baudatum April 1993
  • Erstzulassung in der Schweiz 10.05.1993, 2001 in zweite Hand verkauft, 2024 an einen Zwischenhändler nach Deutschland exportiert, von diesem erworben und mit H-Kennzeichen zugelassen
  • V8, 4196 ccm, 205 kW / 5700 rpm
  • Außenfarbe „almandinrot“ 512, Innenausstattung Leder beige 265

Details zur Historie ergänze ich auf der entsprechenden Unterseite.

Was noch instandsetzen ist:

  • Dachhimmel löst sich großflächig
  • Radioantenne fährt nur teilweise aus, Fußdichtung rissig
  • B-Säulenverkleidung rechts lose
  • Klappergeräusche Beifahrertür
  • Brummgeräusche aus dem Antriebsstrang
  • Steuerkette, Kettenspanner, … das Übliche bei alten V8 …
  • Beleuchtung des Becker-Radios defekt
  • WiWa-Heizung – Thermostat defekt (das kennen wir vom 126…)
  • Buchsen des Schaltgestänges ausgeschlagen
  • Gummimanschetten der Außenspiegel defekt
  • Radlager VL hat Spiel
  • Lenkhebel rechts mit Spiel
  • Motorlauf nicht ganz rund
  • Korrosionsschäden an Schwellen und WHA
  • … und bestimmt noch viel mehr …

… ggf. auch in verlinkten Einzelartikeln.

Schon erledigt:

  • defekter Anschlagpuffer an der Heckklappe rechts entfernt, Loch ausgebohrt, Anschlag ersetzt
  • fehlendes Leuchtmittel im Rückfahrscheinwerfer rechts ergänzt
  • Fussdichtung der Antenne erneuert
  • Lautsprecher im Armaturenbrett ersetzt

Chronologie

03.04.2024 – Besichtigung und Kauf
Mit Martin fahre ich relativ spontan nach „Hessisch-Sibirien“, um dort ein interessantes Fahrzeug anzuschauen – einen W124.034 aus Schweizer Auslieferung in almandinrot mit Innenausstattung Leder beige, als „rostfrei“ angepriesen (was natürlich nicht stimmt). Der Wagen ist einer der allerletzten „400E MoPf 1.5″, noch ohne Wasserlack, dafür noch mit dem schöneren „alten“ Kühlergrill und 4-Gang-Automatik.
Eine Probefahrt später sind wir uns trotz einiger Mängel einig, und der Verkäufer bringt den Wagen noch am selben Abend nach Nürnberg – das traf sich für beide Seiten gut, denn er wollte ohnehin ab Nürnberg in den Urlaub fliegen.

09.04.2024 – Restzahlung und Schlüsselübergabe
Martins Nachbar hat für den morgigen Mittwoch einen TÜV-Termin frei, der genutzt werden soll, um das in Deutschland noch nie zugelassene „Rentner-Taxi“ der H-Abnahme zu unterziehen.

10.04.2024 – H-Abnahme, Radiocode
Erstaunlicherweise hat die H-Abnahme auf Anhieb funktioniert, obwohl der Wagen wirklich nicht ganz mängelfrei ist (Korrosion, Spiel am rechten Lenkhebel, …) – na prima. Außerdem konnte mir die DB-Niederlassung Nürnberg innerhalb von 20 Minuten (und sogar kostenfrei – danke dafür!) einen Entsperrcode fürs Radio nennen.

11.04.2024 – Zulassungsstelle, erster Akt
Seit Kauf des Wagens hatte ich versucht, online einen Termin auf der Zulassungsstelle zu vereinbaren – bei korrekter Auswahl des Anliegens „Gebrauchtfahrzeug aus dem Ausland anmelden“ wird aber im Buchungssystem weder in näherer noch in fernerer Zukunft ein Termin angeboten.

Also begebe ich mich frühmorgens ohne Termin zum Amt – und scheitere erstmal an der Security … „ohne Terminbuchung kein Zutritt“. Immerhin darf ich nach zwanzig Minuten dann doch eintreten, um erst einmal belehrt zu werden, dass ohne Terminvereinbarung „gar nichts geht“ und das Amt wissentlich vier Wochen hintendran sei (OK, Fachkräftemangel, usw.). Immerhin bekomme ich bei der zunehmend freundlicheren Dame dann eine Zusage für einen „richtigen“ Termin in der kommenden Woche. Meine Papiere wurden schonmal begutachtet und im Vier-Augen-Prinzip geprüft, das sollte alles passen.
Nachdem eine Wunschnummer bereits reserviert ist, lasse ich mir auch gleich die Schilder anfertigen … das spart in der kommenden Woche Zeit.

14.04.2024 – Sound und Modellauto
Der bei der Niederlassung genannte Code fürs Becker-Radio stimmt – prima. Und ich habe offenbar mit dem Auto auch gleich noch sechs CDs miterworben, die sich im festeingebauten Wechsler im Kofferraum befinden … darunter auch eine von Falco.
Bei dem warmen Wetter der letzten Tage hat sich nun der Dachhimmel an weiteren Stellen gesenkt, hier muss rasch etwas unternommen werden.
Bonbon: ich habe mir passend ein schönes Modellauto zugelegt 😉.

Original und Modell

17.04.2024 – Zulassungsstelle, zweiter Akt: wir sind startklar.
Der Termin auf der Zulassungsstelle hat mich zwar mehr Zeit gekostet als vermutet, aber – es ist vollbracht. Mit den fertigen Nummerntafeln zu Martin, dort am Auto gleich noch einen Defekt an den Anschlagpuffern der Heckklappe behoben, dann volltanken und – ab auf die Strasse.
Leider tritt oberhalb von 90 km/h ein ziemlich lästiges Brummen auf. Sind das die aufgezogenen Winterreifen, haben die etwa Sägezahnbildung? Das wäre noch die preiswerte Variante, ansonsten gehts in Richtung Kardanwelle … blöd, das war auf der Probefahrt vor dem Kauf nicht zu bemerken, denn da waren wir nur auf Landstrassen unterwegs.
Was sonst noch war: ich brauche einen Sattler, der den herunterfallenden Innenhimmel ausbaut, instandsetzt und wieder einbaut. Und natürlich hat das Taxi umgehend einen Ladeanschluss für meine bewährten CTEK-Lader erhalten. Der Schlüsseldienst Frank in Erlangen hat mir die zwei fehlenden Hauptschlüssel nachgefertigt, das hat ganze EUR 24,- gekostet.

19.04.2024 – Räderwechsel
Relativ spontan lasse ich die Winterräder demontieren und dafür die mitgelieferten Sommerräder neu auswuchten und aufziehen, in der Hoffnung, dass die Vibrationen bei höheren Tempi damit aufhören. Leider falsch gedacht: mit den Sommerreifen aus 2017 fährt der Benz auch nicht vibrationsärmer. Sehen wir‘s positiv: die Winterreifen sind also nicht defekt. Aber jetzt beginnt die Sucherei nach der Ursache. Ach ja, auch noch festgestellt: das tolle Becker-Radio hat eine defekte Beleuchtung.

Das Schuhwerk wird gewechselt

20.04.2024 – ein bisschen Theorie
Das Brummen aus dem Antriebsstrang scheint mir der Drehfrequenz der Kardanwelle zu entsprechen (bei 60 km/h errechnen sich bei Bereifung 215/55ZR16 und einer langen Differentialuntersetzung von 2,65 im Fahrbetrieb nahezu nicht wahrnehmbare 22,6 Hz, bei 90 km/h schon gut fühlbare 33,9 Hz, bei 120 km/h nervtötende 45,2 Hz) … also werde ich zeitnah die Hardyscheiben, das Mittellager sowie die Kardanwelle selbst einer genaueren Untersuchung unterziehen.
Ein Strassentest bis knapp 225 km/h zeigt, dass das Brummen nicht von Motorlast oder Gangwahl abhängt.

21.04.2024 – Historie
Ich konnte Kontakt mit dem letzten Vorbesitzer in der Schweiz aufnehmen, entsprechend wurde die Historie etwas präziser.

24.04.2024 – Bühne frei!
Anläßlich einer Dienstreise nach Aachen habe ich mir bei Modellgeschäft Hünerbein gleich noch einen roten 124 gekauft (Minichamps, 1:43) und in die Vitrine gepackt … der „große“ 124 kam dafür am Nachmittag bei Martin auf die Hebebühne. Einen offenkundigen Fehler am Antrieb fanden wir nicht: die Hardyscheiben sehen wirklich gut aus, und insgesamt ist der Zustand „von unten“ besser als befürchtet.
Ein Probelauf auf der Bühne schlägt fehl (ASR regelt ab – wie kann man das umgehen? WIS konsultieren …), so dass wir noch einen Test bei verschiedenen Geschwindigkeiten auf der BAB vornehmen. Ja, es muss dringend etwas unternommen werden, die Vibrationen sind nicht akzeptabel. Anfang Mai legen wir los.

27.04.2024 – Antenne
Nach einer etwas längeren Probefahrt kümmere ich mich um die Antenne: der Gummistopfen (Fussdichtung) ist rissig, und es fahren nur noch zwei der vier Segmente aus. Anscheinend war da auch schonmal jemand mit einer Zange dran, darauf lassen die Spuren an den verchromten Röhrchen schließen. Mit „Herausziehen“ ist es nichts, daher flute ich das Teleskop mit Ballistol und appliziere an den noch laufenden Segmenten mein Original Hirschmann Auta Antennenfett. Vielleicht löst das Ballistol ja im Laufe der Zeit die klemmenden Teile?

Zum Tausch der (zweiteiligen!) Fussdichtung muss die Antenne ausgebaut werden, hierfür muss die seitliche Verkleidung des Kofferraumes auch raus … und ich finde staunend eine Zurröse im Gepäckraumboden, mit einem daran befestigten Gummi-Spannband. Wofür …?

Der Zusammenbau ist nicht weiter schwierig. Möglicherweise brauche ich aber eine neue Auta 6000 … oder ich muss das Teleskop ersetzen.

30.04.2024 – Kleinigkeiten
Nachdem eine der alten „Krächzpappen“ im Armaturenbrett mir den Spaß an der Musikanlage verdirbt, baue ich heute Ersatz ein – das geht tatsächlich „Plug & Play“. Danach beginne ich, den Innenraum zu säubern und schaue mir nochmal an, wie das Radio befestigt ist (das muss ja raus, wenn ich es instandsetzen will). Leider gelingt es mir nicht, das Radio zu bewegen. Trotz vorhandener Becker-Entsperrhaken bewegt es sich kein Stückchen.
Beim Saubermachen finde ich neben dem Beifahrersitz ein iPhone. Wem mag das gehören? Nebenbefund: die Bodenbleche (auch vor dem Fahrersitz) sehen aus wie neu … kein Vergleich zum damaligen Zustand beim Guzzler.

02./03.05.2024 – Fehler gefunden, Problem aber noch nicht gelöst
Die Ursache der Vibrationen bei höheren Geschwindigkeiten ist immer noch unklar, daher nehmen wir den Wagen auf die Hebebühne, um Rundlauf und korrekten Zusammenbau der Gelenkwelle zu überprüfen. Hierfür muss die Auspuffanlage sowie einige Hitzeschutzbleche demontiert werden.
Was finden wir?


Tatsächlich ist die Gelenkwelle wohl einmal falsch zusammengebaut worden: die Ausrichtmarken fluchten nicht, sondern sind um rund 30° gegeneinander versetzt. Das wird jetzt korrigiert und alles wieder zusammengebaut, die anschliessende Probefahrt bringt jedoch eine große Enttäuschung – es hat sich nichts verändert. Nun ist guter Rat teuer.

Nach einem abendlichen Brainstorming stellen wir den Benz am nächsten Tag auf eine Scherenhebebühne, um das Verhalten des Antriebsstranges „bei Fahrt“ zu bewerten. Es gelingt uns, trotz aktivem ASR bis ≈ 75 km/h zu beschleunigen, und da zeigt sich etwas Interessantes: die linke Antriebswelle führt ein unerwünschtes Eigenleben, sie bewegt sich um bis zu 2 mm auf und ab sowie quer zum Fahrzeug, diejenige auf der rechten Seite jedoch kaum. Das Zappeln der linken Welle übertragt sich auf den gesamten Aufbau und regt diesen zum Zittern an.
Was also tun? Da muss wohl eine neue Antriebswelle her … die bei DB zwar lieferbar, aber prohibitiv teuer ist.

10./11.05.2024 – a very special car
Bei eBay habe ich eine gebrauchte Antriebswelle desselben Typs gefunden (aus einem 91er 500SL, ca. 130 tkm), diese bauen wir ein – und tatsächlich: die Vibrationen werden schwächer, sind aber leider nicht weg. Entweder, auch die rechte Antriebswelle muss erneuert werden, und/oder auch das gebrauchte Ersatzteil ist nicht in Ordnung.
Kurzentschlossen zerlegen wir die ausgebaute Welle soweit wie mit unseren Mitteln möglich: das äussere Gelenk hat tatsächlich eine deutliche Schwergängigkeit, vielleicht ist das die Quelle der Schwingungen. Ob es für diesen Wellentyp einen Reparatursatz gibt oder ob die Welle zur professionellen Überarbeitung muss, werde ich recherchieren. Die Gummimanschetten waren offenbar schön dicht und bestehen aus sehr robustem Material (mit dem Cutter kaum zu schneiden), innenseitig ist keine Korrosion zu sehen, aber an das eigentliche homokinetische Gelenk kommt man nicht heran – dafür muss das Gehäuse getrennt werden, was unsere Möglichkeiten übersteigt.

Der Wagen hätte übrigens auch einen Öl- und Filterwechsel nötig (der letzte war vor ca. 8.000 km, aber immerhin im Jahr 2016!) – leider ist der passende Filter derzeit nicht lieferbar, so dass mein entsprechender Besuch bei MacOil auf Ende Juni verschoben werden wird.
Ich merke: „a very special car“ – sieht zwar gewöhnlich aus, benötigt aber immer wieder teure Spezialteile…